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Lars Frühsorge, Armin Hinz, Jessica N. Jacob, Annette I. Kern, Ulrich Wölfel (Hg.) Erinnerungsorte in Mesoamerika Der hier besprochene Band mit insgesamt 9 Aufsätzen befasst sich vor allem mit der Frage des Geschichtsbewusstseins und damit, wie dieses an bestimmte Orte gebunden ist. Der Band ist ein Ergebnis der deutschen Mesoamerikanistik-Tagung 2006, deren Ziel darin bestand, die deutsche Mesoamerikanistik stärker an der internationalen Erinnerungsdebatte zu beteiligen. Einer deren prominentesten europäischen Vertreter, Pierre Nora, sieht einen Konflikt zwischen dem kollektiven Gedächtnis und der nationalen Historiografie. So entstehen im kollektiven Gedächtnis Rückzugsräume für diese bedrohten Erinnerungen (S. 6). Für die Mesoamerikanistik gilt zusätzlich die Aufgabe, sich kritisch mit dem "europäischen Blick" auf die indianischen Kulturen auseinanderzusetzen. Darum verlangt die Beschäftigung mit der Problematik eine ausgesprochen vielseitige Herangehensweise. Diesem Maßstab werden die Beiträge des Sammelbandes gerecht. Dabei reicht der Bogen von theoretischen Abhandlungen über eine "Anthropologie des Erinnerns" über die Rolle von Gesängen als Ort der Erinnerung bis hin zu konkreten geografischen Plätzen, die bestimmten Gruppen als Ort für ihre Erinnerungen dienen. Deutlich wird in den entsprechenden Aufsätzen gezeigt, welche komplexe Betrachtungsweise für das Verständnis der Problematik notwendig ist. Der vorliegende Sammelband bietet eine hervorragende Möglichkeit, sich mit aktuellen Forschungen zu befassen und einen Einblick in die wissenschaftliche Beschäftigung der deutschen Mesoamerikanistik zu erhalten. MK Quelle: AmerIndian Research, Vol. 6/4 (2011), Nr. 22, Seite 267 |
Recensie: 23.10.2011AmerIndian Research, Vol. 6/4 (2011), Nr. 22, Seite 267 Reeks: Geschichtswissenschaft Lars Frühsorge, Armin Hinz, Jessica N. Jacob, Annette I. Kern, Ulrich Wölfel (Hg.) - Erinnerungsorte in Mesoamerika978-3-8322-9794-7 Der hier besprochene Band mit insgesamt 9 Aufsätzen befasst sich vor allem mit der Frage des Geschichtsbewusstseins und damit, wie dieses an bestimmte Orte gebunden ist. Der Band ist ein Ergebnis der deutschen Mesoamerikanistik-Tagung 2006, deren Ziel darin bestand,... » meer |
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François Pic, Patrick Sauzet (éds.) Per Q. I. M. MOK. Études de linguistique occitane moderne L´Association internationale d´études occitanes a voulu honorer la mémoire de Kees Mok, dont le nom restera attaché à l´excellent petit Manuel pratique de morphologie d´ancien occitan (Muiderberg, 1977), en publiant un choix de ses articles et comptes rendus critiques : quatorze articles, tous rédigés en français, parmi la cinquantaine de titres de sa bibliographie publiée en tête du volume, concernent tous la langue moderne, mis à part une prise de position critique aujourd´hui vieille de plus de vingt ans, « Néophilologie (?)», dans le débat jadis suscité par le livre de Bernard Cerquiglini (Éloge de la Variante: histoire criti que de la philologie, 1989) et un numéro Special de la revue nord-américaine Speculum (The New Philology, 1990). Les articles sont regroupés sous trois rubriques: sous Gramatica e linguistica de l´occitan contemporanéu (sept articles), on trouvera un rapide panorama des études de linguistique en occitan contemporain publiées entre 1970 et 1990, six études sur la langue d´écrivains contemporains de langue d´oc (dont certains sont aussi utilisés dans les études publiées dans la seconde partie du volume). Un seid article («L´opposition singulier/pluriel dans le parier de quelques communes du Périgord blanc», publié en 1981) est fondé sur une enquête orale menée par l´auteur lui-même dans le Périgord (points 67 et 72 de l´Atlas linguistique et ethnographique de l´Auvergne et du Limousin), où, comme beaucoup de ses compatriotes néerlandais, il a régulièrement passé ses étés. Dans L´occitan dels escrivans, sont analysés des points de syntaxe textuelle dans la prose de trois écrivains contem porains de langue d´oc, Jean Bodon, Max Rouquette et Bernard Manchet. D´una langa a l´autra envisage quelques problèmes de la traduction, qu´il s´agisse de traduction vers l´occitan, ou de l´occitan vers le néerlandais. [Françoise Vielliard.] Quelle: Revue Bibliotèque de L´École des Chartes, Ausgabe 167, Seite 303 |
Recensie: 05.08.2011Revue Bibliotèque de L´École des Chartes, Ausgabe 167, Seite 303 Reeks: Aachener Romanistische Arbeiten François Pic, Patrick Sauzet (éds.) - Per Q. I. M. MOK. Études de linguistique occitane moderne978-3-8322-7420-7 L´Association internationale d´études occitanes a voulu honorer la mémoire de Kees Mok, dont le nom restera attaché à l´excellent petit Manuel pratique de morphologie d´ancien occitan (Muiderberg, 1977), en publiant un choix de ses articles... » meer |
Günter Breuer Die Ortsnamen des Kreises Düren Ein Beitrag zur Namen- und Siedlungsgeschichte
Die Namenkunde, insbesondere die Siedlungsnamenkunde hat es schwer. Diese alte und traditionsreiche Teildisziplin der Sprachwissenschaft findet an rheinischen Universitäten so gut wie nicht mehr statt. Selbst in der ehemaligen landeskundlichen Hochburg, dem Institut für rheinische Landeskunde der Universität Bonn, der Heimat so berühmter Namenkundler wie Adolf Bach oder Heinrich Dittmaier, sind die Lichter buchstäblich ausgegangen. Der letzte Forscher, mit der Digitalisierung des von Dittmaier begründeten Rheinischen Flurnamenarchivs befasst, wurde im letzten Jahr in den Schuldienst verabschiedet. Neue Arbeiten zur rheinischen Ortsnamenkunde, dieser für die regionale Siedlungs-, Orts- und Sprachgeschichte so wichtigen Disziplin, sind also aus dieser Quelle nicht mehr zu erwarten.
[1]Ders.: Die Siedlungsnamen der Stadt Herzogenrath. Ein Beitrag zur Namenkunde. Aachen 2000; ders.: Würselener Straßen in Vergangenheit und Gegenwart. Würselen 1993; ders.: Aquisgranum...von den warmen Wassern. Siedlungsnamen der Stadt Aachen. Ein Beitrag zur 3. Aachen 2003. [2]Walter Hoffmann: Von Wormsalt zu Würselen, von Moresbrunno zu Morsbach. Zur Geschichte der Siedlungsnamen Würselens. In: Margret Wensky/Franz Kerff (Hrsg.): Würselen. Beiträge zur Stadtgeschichte Band 1, Köln 1989, S. 187-218, S. 193. [3]Ebenda, S. 202. [4]Paul Derks: Die Siedlungsnamen der Gemeinde Weeze am Niederrhein. Sprachliche und geschichtliche Untersuchungen. Mit einem Ausblick nach Geldern und Goch. Weezer Archiv Band 1 (Schriftenreihe der Gemeinde Weeze), Weeze 2006, S. 12. [5] Es ist allerdings die Frage, ob der alleinige Rekurs auf das Althochdeutsche bei der Geschichte der zentralrheinischen Ortsnamen unbedingt immer zielführend ist (zumal bei Buchs ähnliche Probleme auftauchen). So findet ein Blick nach Belgien z.B. für den Ortsnamen Dikkebus den Altbeleg Thicabusca schon aus dem Jahr 961 (www.debrabandere.eu/fr/genealogie/3fr111_drik_ypres_ieper_dikkebus.html). [6]Hier ist anzumerken, dass sich Wurzeletymologien zu indogermanischen Rekonstrukten heute bei Verbal- und Nominalwurzeln nicht nur auf das Indogermanische Wörterbuch von Pokorny berufen, sondern jüngere Nachschlagewerke zitiert werden sollten: H. Rix: Lexikon der indogermanischen Verben. Die Wurzeln und ihre Primärstammbildungen, Wiesbaden, 2. Aufl. 2001. D.S. Wodko/B. Irslinger/C. Schneider: Nomina im indogermanischen Lexikon, Heidelberg 2008. [7]Siehe Paul Derks: Von der Anger bis zum Schwarzbach. Die Gewässernamen des Düsseldorfer Stadtbezirks 5. Beiheft zum Heimat-Jahrbuch Wittlaer, Band 3, Ratingen 2002, S. 32f. Quelle: Neue Beiträge zur jülicher Geschichte Band XXIII/2011 Seite 217 - 222 |
Recensie: 11.06.2011Neue Beiträge zur jülicher Geschichte Band XXIII/2011 Seite 217 - 222 Reeks: Sprache & Kultur Günter Breuer - Die Ortsnamen des Kreises DürenEin Beitrag zur Namen- und Siedlungsgeschichte 978-3-8322-8475-6
Die Namenkunde, insbesondere die Siedlungsnamenkunde hat es schwer. Diese alte und traditionsreiche Teildisziplin der Sprachwissenschaft findet an rheinischen Universitäten so gut wie nicht mehr statt. Selbst in der ehemaligen landeskundlichen Hochburg, dem... » meer |
Karl-Heinz Anton Suszeption der Verdorbenheit Zur Rhetorik Der Titel klingt zunächst spröde und verlangt gleich nach einem Brockhaus, der über das erste Wort kaum Aufschluss gibt: S. als Annahme, Übernahme von Verdorbenheit? Reden solle verdorben sein oder sein können? Genau dies möchte der Verf. thematisieren, um Reflektion über Reden als der Grundform aller Kommunikation anzustoßen. Auf den ersten Blick ist Reflektion zwar nichts technisches, kann aber dazu beitragen, Verhalten zu verändern und Lernprozesse in Gang zu setzen. Die Bezüge des Autors verweisen darauf, dass sich das Buch als kritische Theorie versteht, als eine Dialektik der Rhetorik, mit der sich Unheil stiften lässt genau so, wie sie dazu dienen kann und muss, das Neue im eigenen Wollen auszudrücken und für politisch gesonnene Zeitgenossen das gewollte Gute anzuschieben. Der Bezug auf Niklas Luhmann könnte eine große Abstraktion mit sich bringen, wenn man sich nicht vergegenwärtigte, dass selbst noch der kleinste Betrieb als "soziales System" sich konstituiert und nur so. Bevor noch über wirtschaftliche Codes gesprochen werden kann, müssen Menschen für einen gemeinsamen Zweck integriert werden und insofern sind zwar technisch gesehen, Menschen als personale Systeme immer Umwelt im sozialen System Betrieb, aber eine Umwelt die freundlich gestimmt werden muss, wenn das Werk gelingen soll. Reden: Führungskräfte bekommen zwar ab und an Modelle von Führungsstilen vorgesetzt, die nur allzu häufig rein äußerlich bleiben, wenn in Unternehmen das hidden curriculum anderes verlangt, gar Ellenbogen, um nicht unterzugehen. Obwohl selbst dies sich u.U. nur einer Blickverengung verdankt. Reden, um das eigene Wollen wirklich werden zu lassen, setzt dort, wo es noch keine ausgefeilte Befehlsgewalt und keine ausgemachten Machtstrukturen gibt, ein erhebliches Maß von diplomatischen, aufbauenden und fördernden Elemente voraus, schließlich um im Sinne der Maslowschen Bedürfnispyramide Selbstbewusstsein zu entfalten, damit Mitarbeiter auch in fremden Situationen angemessen reagieren können. Sollte sich überdies noch Freundlichkeit einstellen, können Netzwerke mit Kunden entstehen, die noch das kleinste Unternehmen über Schwierigkeiten des Absatzes hinweghelfen. Selbst dort, wo man meint, sich auf Macht verlassen zu können, wird bei genauerem Hinsehen die stetige sanfte und wahrhaftige Überzeugungsrede Platz greifen müssen, sonst lösen sich zunächst gut dastehende Unternehmen einfach auf, in dem die besten Mitarbeiter oder Abteilungen geschlossen aussteigen. Diesen Beziehungen wird in aller Regel viel zu wenig Gewicht beigemessen, obwohl es gerade die Treueverhältnisse in den Netzwerken sind, die für Stabilität sorgen, bevor noch Preis oder Konditionenverhandlungen einsetzen. Treueverhältnisse entstehen über die Generierung und Aktualisierung von Vertrauen, das nicht einfach da oder nicht da ist, sondern wie ein Pflänzchen in einem Unternehmen und gegenüber Kunden gepflegt werden muss. Zum Aufbau von Vertrauen benötigt man mindestens ein Jahr, der Verlust dagegen kann blitzschnell erfolgen. Dies ist völlig unabhängig von der Größe eines Unternehmens zu sehen. Nur die Personen, die an den jeweiligen Grenzen des Unternehmens agieren, sind andere bzw. und agieren mit anderen Teilen der Umwelt: Vorstände z.B. mit Banken und Aufsichtsrat, Key Account Manager mit Großkunden, Entwicklungsingenieure mit Forschungsinstituten. Der Verweis auf Märkte als kalte Verteilungsmaschinen zieht nicht, denn die je spezifischen Märkte sind eben wieder Netzwerke von Menschen. Menschen lassen sich nicht einfach manipulieren wie Pferde, denen man Möhren vors Maul bindet. Die von Führungskräften zu vertretenden Redegeschichten binden sie selbst, wenn man ihnen gegenüber Vertrauen aufrechterhalten können soll. Die Bezüge des Verfassers zu Sartre sind deshalb außerordentlich wichtig. Der Blick der anderen wird durch die eigenen Redegeschichten bestimmt und gefestigte Urteile wandeln sich wieder schnell. Insofern kann man nicht auf den Glauben zurückgreifen, was einen denn das Geschwätz von gestern störe. Die vom Verfasser vorgetragene Vertiefung mit Hilfe von Sigmund Freud soll den Gedanken frei machen dafür, dass eigene Reden und Redegeschichten von zahlreichen charakterlichen Eigenschaften beeinflusst werden, die für den informativen Gehalt einer Rede sehr kontraproduktiv werden können. Reaktionen wie die: da setze sich der große Monolog wieder vor die Tafel einer Mitarbeiterbesprechung würden zeigen, dass die ganze Besprechung für die Katz ist bis hin zu inneren Kündigungen. Wer als Führungskraft nur das eigene Ego vor sich her trägt, kann die anderen der Kommunikation nicht mehr richtig wahrnehmen, selbst wenn man in der bloßen Technik des "aktiven Zuhörens" geschult ist. Wer als Vorgesetzter glaubt, die "Sau raus lassen" zu können, wird in seinem Führungsanspruch gnadenlos scheitern. Verfasser zeigt mit hoher Sensibilität genau diese möglichen Schwachstellen auf, die Scheitern im Beruf, in Vereinen oder politischen Verbänden immer wieder zur Folge haben. Wer reden will und durch Reden führen muss, sollte zunächst sich selbst in den Blick nehmen und wenigstens die Frage beantworten, was ihn selbst verletzen würde. Zwar kann niemand aus seiner Haut heraus, aber er der Tatsache eingedenk sein, wie Denken und Reden von eigenen seelischen Konflikten kontaminiert werden kann. Wir sind keine körperlosen und geschichtslosen Wesen, unser Denken wird auch durch das Triebleben gesteuert, unser körperlicher Auftritt in der Redeintensität, in der Wortwahl usw. Für neue Situationen, für spontane Eingriffe in Arbeitsprozesse gibt es kein Drehbuch. Und täglich wird das soziale System Betrieb neu konstituiert, andernfalls endet dessen Geschichte sehr rasch. Dies Buch hat zahlreiche moralphilosophische Implikationen. Moral hat ihre Quelle nicht in artifiziellen Diskursen über Begründungsprobleme, sondern in der Anerkennung des anderen Menschen, der mit einer anderen Geschichte und seelischen Lage sich in einen Arbeitszusammenhang einbringt. Kommunikative Rationalität so wenig wie strategische oder technische kann ohne dies Moment des Miteinander Redens überhaupt entstehen, geschweige denn aufrechterhalten werden. Der zunächst spröde wirkende Titel eines schmalen Buches enthält die Aufforderung: Denk nach, bevor Du mit anderen Menschen redest, ob die möglichen darin enthaltenen Verletzungen und Angriffe nicht genau das Gegenteil Deines Wollens bewirken. Sei klug in einem übergreifenden Sinne. Quelle: Dipl.-Kfm W. Teune Unternehmensberater |
Recensie: 10.05.2011Dipl.-Kfm W. Teune Unternehmensberater Reeks: Sprache & Kultur Karl-Heinz Anton - Suszeption der VerdorbenheitZur Rhetorik 978-3-8322-9996-5 Der Titel klingt zunächst spröde und verlangt gleich nach einem Brockhaus, der über das erste Wort kaum Aufschluss gibt: S. als Annahme, Übernahme von Verdorbenheit? Reden solle verdorben sein oder sein können? Genau dies möchte der Verf. thematisieren, um ... » meer |
Ali Yunes Khalid Al-Manaser Ein Korpus neuer safaitischer Inschriften aus Jordanien
Nachdem im Jahre 2005 als Band 6 von Semitica et Semitohamitica Berolinensia die Dissertation von Mohammed I. Ababneh, Neue safaitische Inschriften und deren bildliche Darstellungen, erschienen war (s. meine Rezension in OLZ 104/2, 2009, Sp. 210-217), wird drei Jahre später als Band 10 derselben Reihe eine weitere Dissertation über safaitische Inschriften vorgelegt. Der Verfasser der neueren Studie hat dabei in vielem die Vorgängerarbeit als Vorbild genommen, etwa bei der Anordnung der Themen, der Behandlung der Personennamen oder in der Kommentierung des epigraphischen Materials. Quelle: Orientalistische Literaturzeitung 105 |
Recensie: 23.03.2011Orientalistische Literaturzeitung 105 Reeks: Semitica et Semitohamitica Berolinensia Ali Yunes Khalid Al-Manaser - Ein Korpus neuer safaitischer Inschriften aus Jordanien978-3-8322-7595-2 Nachdem im Jahre 2005 als Band 6 von Semitica et Semitohamitica Berolinensia die Dissertation von Mohammed I. Ababneh, Neue safaitische Inschriften und deren bildliche Darstellungen, erschienen war (s. meine Rezension in OLZ 104/2, 2009, Sp. 210-217), wird drei... » meer |
Anton Kolb Machtmissbrauch in Kirche, Wissenschaft, Politik und Medien Engagement gegen Fehlentwicklungen und Reformvorschläge In diesem Buch wendet sich ein engagierter Kritiker von Fehlentwicklungen in der Kirche, in Wissenschaft, Politik und Medien lautstark zu Wort. Er veröffentlicht hier seine zahlreichen Eingaben und Vorschläge, die er an Kirchenvertreter, Politiker und Journalisten geschickt hat. Ein Vorschlag ging auch an den Papst und wurde vom päpstlichen Staatssekretariat positiv beantwortet. Dabei hatte der Autor als Theologe sehr konservativ begonnen, aber er hat Fehlentwicklungen in der Kirche frühzeitig erkannt. Heute bedrückt es ihn, dass selbst die Kernschichten der Kirche oftmals zur Kirchenleitung auf Distanz gehen. Seine kritischen Stellungsnahmen beziehen sich auf den Pflichtzölibat der Priester, auf die Verhinderung des sexuellen Missbrauchs durch Kleriker, auf die Zulassung der Wiederverheirateten zu den Sakramenten, die Auswahl der Priesterkanditaten. Der Autor setzt sich aber auch mit den. Entscheidungen der Bischöfe und des Papstes kritisch auseinander. Vor allem in den Enzykliken sieht er viele Widersprüche, diese seien nicht unfehlbar. In der Politik wünscht er sich mehr Transparenz und Entscheidungsfahigkeit, in den Wissenschaften mehr Verantwortung für die Folgen der Forschung, und in den Medien mehr sachliche Berichterstattung. Am Ende des Buches steht eine große Utopie: Auf dem griechischen Berg Olympos treffen sich unter dem Vorsitz des Heiligen Geistes die Vertreter aller Religionen. Sie formulieren dort ein gemeinsames Credo der Menschlichkeit, der Wahrhaftigkeit und der Geschwisterlichkeit. Damit plädiert der Autor für den Dialog der Religionen und der Kulturen, für mehr Beweglichkeit in der katholischen Kirchenleitung. Ein lesenswertes Buch eines scharfen Kritikers unserer Zeit und Kultur, der sich oft durch Übertreibungen in der Sprache Gehör verschaffen will. Zielgruppe: Theologen, Seelsorger, Religionslehrer, Politiker,Philosophen, Wissenschaftler, Lehrer, Priester und Laien. Anton Grabner-Haider Quelle: Bücher Bord |
Recensie: 15.03.2011Bücher Bord Reeks: Geisteswissenschaften, Sprachwissenschaften (Philosophie, Religion,...) Anton Kolb - Machtmissbrauch in Kirche, Wissenschaft, Politik und MedienEngagement gegen Fehlentwicklungen und Reformvorschläge 978-3-8322-9610-0 In diesem Buch wendet sich ein engagierter Kritiker von Fehlentwicklungen in der Kirche, in Wissenschaft, Politik und Medien lautstark zu Wort. Er veröffentlicht hier seine zahlreichen Eingaben und Vorschläge, die er an Kirchenvertreter, Politiker und Journalisten... » meer |
Ernst R. Sandvoss Aufstieg und Niedergang der Weltreligionen
Religionen, so die These von Ernst Sandvoss im Anschluss an Bertrand Russell, altern. Hunderte von Religionen, von deren Existenz nur noch Experten wissen, sind wieder verschwunden. Und was sind eigentlich Weltreligionen? Keine einzige dieser so genannten Weltreligionen hat es geschafft, trotz Terror, Verfolgung und Mord, die Weltbevölkerung für sich zu bekehren, sondern immer nur Teile derselben, und auch die nicht auf Dauer. Ein weiteres Problem liegt im Verhältnis von „Weltreligion" und Menschenrechten. Christentum und Islam enthalten, mehr oder weniger direkt, den Menschen das Recht auf freie Religionswahl vor. Quelle: Alibri Forum für Utopie und Skepsis |
Recensie: 04.03.2011Alibri Forum für Utopie und Skepsis Reeks: Philosophie Ernst R. Sandvoss - Aufstieg und Niedergang der Weltreligionen978-3-8322-8632-3 Religionen, so die These von Ernst Sandvoss im Anschluss an Bertrand Russell, altern. Hunderte von Religionen, von deren Existenz nur noch Experten wissen, sind wieder verschwunden. Und was sind eigentlich Weltreligionen? Keine einzige dieser so genannten Weltreligionen... » meer |
Jochen Kütter Graffiti auf römischer Gefäßkeramik aus Neuss Seit wenigen Jahren beschäftigt sich die internationale Forschergemeinde wieder vermehrt mit Fragen zur Schriftlichkeit in den römischen Provinzen. Dies dürfte nicht zuletzt dem Umstand geschuldet sein, dass man seit den spektakulären Schreibtäfelchen von Vindolanda und der Aufarbeitung der Kleininschriften aus dem Schutthügel von Vindonissa die Gewissheit hat, dass die Schriftkultur der westlichen Provinzen ähnlich komplex war wie die durch die Papyri schon lange belegte Literalität im Osten des Reiches. Neben Schreibmaterial und Schreibgerät (M.Feugère / P.-Y. Lambert [Hrsg.], L’écriture dans la société galloromaine. Eléments e réflexion collective. Gallia 61, 2004, 1–192) stehen in den gallisch-germanischen Provinzen auf Grund der hiesigen Erhaltungsbedingungen vor allem die zahlreichen Graffiti auf Gefäßkeramik im Fokus des Interesses. Die anzuzeigende Arbeit von Jochen Kütter über die Graffiti aus Neuss steht in der Tradition einer ganzen Reihe analoger Grafittopublikationen in einer vergleichsweise gut erschlossenen Forschungslandschaft. Im Gegensatz zu anderen römischen Provinzen, deren Graffitomaterial erst in allerjüngster Zeit punktuell vorgelegt wurde oder gerade bearbeitet wird – zum Beispiel die südliche Germania superior mit Augst und Avenches –, sind die Graffiti der Germania inferior bereits vor einiger Zeit in einer größeren Fläche erfasst worden, zumindest soweit sie 1975 im Landesmuseum Bonn greifbar waren (B. Galsterer-Kröll, Graffiti auf römischer Keramik im Rheinischen Landesmuseum Bonn. Epigr. Studien 10 [Köln und Bonn 1975]). Dazu kommen separate Veröffentlichungen der Graffitibestände einzelner Orte wie Asberg (T. Bechert, Steindenkmäler und Gefäßinschriften. Funde aus Asciburgium 4 [Duisburg 1976]) oder des im nördlichen Teil der Großprovinz Germania gelegenen Militärstützpunktes Haltern (B. Galsterer, Die Graffiti auf der römischen Gefäßkeramik aus Haltern. Bodenaltertümer Westfalens 20 [Münster 1983]). Gleichzeitig mit dem anzuzeigenden Titel entstanden ist eine Arbeit über Graffiti aus Xanten (St. Weiß-König, Graffiti auf römischer Gefäßkeramik aus dem Bereich der Colonia Ulpia Traiana/Xanten [in Vorb.]). Mit der Arbeit von Kütter liegen nun die Graffiti auf Gefäßkeramik aus Novaesium (Neuss) vor, deren Bearbeitung Brigitte Galsterer-Kröll bereits 1975 angeregt hatte, auf Grund anderer Verpflichtungen aber nicht weiterverfolgen konnte. Es handelt sich um eine 2007 am Institut für Kunstgeschichte und Archäologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn abgeschlossene Dissertation, die schon ein Jahr später in einem der heute günstigen Dissertationsdrucke erscheinen konnte. Der Autor hatte sich bereits in seiner Magisterarbeit mit den Graffiti aus dem Clemens-Sels- Museum in Neuss beschäftigt und gemeinsam mit Carl Pause einen populärwissenschaftlichen Ausstellungskatalog vorgelegt (Geritzt und gestempelt. Schriftzeugnisse aus dem römischen Neuss [Neuss 2006]). Die Arbeit wird schon auf Grund des Fundplatzes auf großes Interesse stoßen, ist doch Neuss für die provinzialrömische Archäologie in Deutschland ein besonderer Ort. Novaesium wurde um 16 v. Chr. gegründet und gehört damit zu den frühesten Militärstandorten am Rhein. Es blieb das gesamte erste Jahrhundert über durch Legionen beziehungsweise Legionsvexillationen besetzt. Auch wenn wir heute wissen, dass die unter Agrippa ausgebaute Südnordstraße quer durch Gallien bis zum Niederrhein nicht in Neuss endete, sondern weiter den Rhein entlang bis nach Nimwegen führte, ändert dies nichts an der Rolle von Neuss als einem bedeutenden Aufmarschplatz für das römische Heer gerade in der offensiven augusteisch-frühtiberischen Phase. Offenbar war der Stützpunkt immer nur für kurze Zeit belegt, und so folgten östlich des Meertals zwischen Rhein und Erftmündung bis Anfang der vierziger Jahre des ersten Jahrhunderts mindestens zehn Holz-Erde-Lager mit diversen Bauphasen aufeinander. Als Besatzungen lassen sich Vexillationen in wechselnder Stärke und Zusammensetzung annehmen. Schlaglichtartig wird die Besatzung während der Meutereien nach dem Tod des Augustus deutlich: Laut Tacitus (Ann. 1, 31) lagen damals die Hauptteile der Legionen I, V Alaudae, XX Valeria Victrix und XXI Rapax im Gebiet der Ubier am Rhein, und zwar in einem namenlosen Sommerlager, das üblicherweise mit Novaesium gleichgesetzt wird. In der Frühzeit war Neuss also Sammelplatz, Durchgangslager und Nachschubbasis in einem, besaß eine hohe Truppenfluktuation und war vom Charakter her sehr ähnlich den immer wieder aufgesuchten Lagerplätzen Dorsten-Holsterhausen oder Trebur-Geinsheim, wenn auch ziemlich sicher mehr oder weniger durchgehend belegt. In den späten dreißiger und frühen vierziger Jahren änderte sich der Charakter des Stützpunktes zu einem fest verorteten Truppenstandort (castra hiberna) an der Flussgrenze. Östlich des bisherigen Lagerareals wurde ein neues Legionslager errichtet, das nach seinem Ausgräber »Koenenlager« genannt wird und auf Grund seines vollständig anmutenden Ruinenplans einer der Klassiker des Faches geworden ist. Es wurde wohl noch von der Legio XX Valeria Victrix errichtet, und im Verlauf des großen Truppenrevirements zu Anfang des claudischen Britannienfeldzugs 43 n. Chr. bezog die Legio XVI hier Quartier. Diese wiederum wurde nach dem Bürgerkrieg 69/70 n. Chr. durch die Legio VI Victrix ersetzt, die bis zum Ende des Lagers (Terminus post quem 103) in Neuss stationiert war. Nach einem gewissen Hiatus wurde ungefähr in der Mitte des zweiten Jahrhunderts im Bereich der ehemaligen Mittelgebäude ein Auxiliarlager eingerichtet, das vermutlich über das Jahr 260 hinaus bestand. Auf Grund seiner Forschungsgeschichte ist Novaesium nicht einfach zu verstehen, denn trotz einiger Publikationen der innerhalb der Limesforschungen groß angelegten Novaesium-Reihe ist der Militärstandort Neuss für uns bis heute nicht wirklich greifbar. Die bisherige Strategie, die Neusser Großgrabungen getrennt nach Sachgruppen auszuwerten, hat sich letztlich als verfehlt erwiesen. Darüber hinaus sind die im Lauf der Grabungen mehrfach wechselnden Lagerbezeichnungen und auch Datierungen für den Außenstehenden kaum noch nachzuvollziehen, so dass der Autor gut daran tut, Topografie und Chronologie von Novaesium in einleitenden Kapiteln recht kurz abzuhandeln und nur tabellenartig auf die Ergebnisse der laufenden Neubearbeitung der Befunde durch Michael Gechter zu rekurrieren (mit Konkordanz alter und neuer Lagerbezeichnungen auf dem Arbeitsstand von 2004). Der Verfasser hat große Mühen unternommen, die in zahlreichen Sammlungen und Museen weit verstreuten Funde aus Neuss zusammenzuführen und aufzunehmen. Den Hauptteil des Katalogs bilden die Altfunde der Sammlung Heinrich Sels vor 1907, die überwiegend aus den Sels’schen Ringofenziegeleien im Bereich der frühen Lagerstrukturen A-I aufgesammelt wurden, sowie die heute im Landesmuseum Bonn aufbewahrten Funde aus der Grabung Koenen im Areal des Lagers K und die Graffiti aus den sämtliche Areale von Novaesium umfassenden Schwerpunktgrabungen zwischen 1955 und 1983. Da keine komplette Durchsicht der tonnenweise angefallenen Scherbenmassen möglich war, hat Kütter mittels einfacher Zufallsstichprobe geprüft, ob die aus Inventarlisten und eigener Suche erfasste Stückzahl repräsentativ für den Gesamtbestand ist, ein eigentlich recht simples Verfahren, das gerade bei der Aufnahme von Altmaterial zum Standard werden sollte, um die Aussagekraft des eigenen Material besser einschätzen zu können. Erfasst wurden so unter anderem 957 Ritzungen, fünf Pinselaufschriften (Dipinti; Kat. 604, 704, 754, 816 und 817), ein Stempel auf einer Amphorenwandung (Kat. 401) und eine vor dem Brand des Gefäßes mit Tonschlicker aufgetragene Inschrift (Kat. 253). Insgesamt sind es 964 Nummern, die in einem kommentierten Fundkatalog, dem Hauptteil der Publikation, vorgelegt werden (S. 102–231). Dessen Vorbemerkungen wiederholen zum Teil einiges aus dem sechsten (Zur Methode der Wiedergabe der Graffiti) und siebten Kapitel (Auswertung des Materials, besonders 7.1–7.3.2). Hier wäre eine Straffung der Informationen nützlich gewesen. Das Ziel der Arbeit war nach den Worten des Autors natürlich »eine Erfassung der Graffiti und nicht eine keramikkundliche Bestimmung der Schriftträger« (S. 33). Trotzdem bilden Schriftträger und Schrift eine unzertrennliche Einheit und müssen dementsprechend dokumentiert werden, zeichnerisch oder im Foto. Auf den Schwarzweißtafeln sind jedoch nur die Graffiti selbst wiedergegeben, ohne dass in allen Fällen die Position der Schrift auf dem jeweiligen Gefäß klar wird. Die Graffiti wurden mittels direkt auf die Keramikoberfläche gelegter flexibler Folien durchgezeichnet, dies aber, soweit an den wenigen Farbfotografien nachvollziehbar, keineswegs allzu genau. Im Vergleich zum Beispiel zu den Zeichnungen bei M. Scholz, Graffiti auf römischen Tongefäßen aus Nida-Heddernheim (Frankfurt a. M. 1999) wird deutlich, dass durch diese Unschärfen gerade der Duktus der Beschriftung nicht mehr eindeutig zu bewerten ist. Die Datierungen der Graffiti im Katalog orientieren sich bei der Terra Sigillata an Stempeldatierung, Gefäßform, Fundstelle und Fundumständen, wobei letztere vom Leser nicht überprüfbar sind, da sie nur mündlich durch den Bearbeiter Michael Gechter mitgeteilt wurden (S. 102 Anm. 359). Der Verfasser tut auf jeden Fall gut daran, das Material für die Auswertung gegenüber den genauen Datierungen im Katalog in nur drei grob unterteilte Perioden zu scheiden; mehr gibt das Material im Ganzen nicht her: Periode I: Augusteisch-tiberisch (Lager A-I) Periode II: Claudisch bis um 100/105 n. Chr. (Koenenlager K) Periode II: von 100/105 n. Chr. bis »3./4. Jh.« (u. a. Auxiliarlager L) Da eine Gesamtübersicht über die Anzahl der datierten Stücke fehlt, sei dies hier nachgeholt: Periode I: 273 (= 28,3 Prozent); Periode II: 413 (42,8 Prozent); Periode III: 116 (12,0 Prozent); Periode I und II: 50 (5,2 Prozent); Periode II und III: 18 (1,9 Prozent); Periode I–III: 15 (1,6 Prozent); unbestimmbar: 79 (8,2 Prozent). Es ist also keineswegs so, dass das augusteischtiberische Material überwiegt, wie man beim bisherigen Publikationsstand der Keramik aus Neuss denken könnte, sondern auf Grund der flächigen Freilegung liegt der Schwerpunkt auf dem Koenenlager und dessen Canabae. Im zweiten Jahrhundert dünnt die Reihe der beschrifteten Keramik rasch aus, die jüngsten Stücke sind eine Handvoll Scherben aus dem Ende des zweiten und dem Anfang des dritten Jahrhunderts (Kat. 396, 534, 750, 844, 958 und vielleicht 963). Wie auch an anderen Militärstandorten festgestellt wurde, sind uns heute Graffiti in Neuss vor allem auf Terra Sigillata überliefert (710 von 964 = 73,65 Prozent). Es folgen Schriftzeichen auf Amphoren mit 161 Stück (= 16,7 Prozent des Gesamtbestands) und 93 auf »sonstigem Geschirr« (= 9,5 Prozent; Daten nach Tabelle S. 32 umgerechnet). Entgegen der Aufteilung in Abbildung8 werden die Amphorenbeschriftungen unter dem Kapitel »Graffiti auf anderer Keramik« und nicht eigenständig abgehandelt, was sicher sinnvoll gewesen wäre, weil deren Kennzeichnungen einem ganz anderen Zweck unterlagen. Insgesamt passt sich der Graffitibestand von Neuss gut in den bekannten Forschungsstand ein. Unter den Stichworten »Zweck der Beschriftung« und »Gestaltung und Anbringung der Graffiti« kann Kütter daher nur wenig Neues beitragen. Die allermeisten Graffiti waren wohl Eigentumsmarkierungen. Formal lassen sich zwei Arten solcher Kennzeichnungen unterscheiden: (1) Einzelbuchstaben mit einem Überwiegen von X-Zeichen; (2) Namensgraffiti in verschiedenen Versionen, nämlich einfachen Nomina und Cognomina oder ausgeschriebenen beziehungsweise abgekürzten Dua oder Tria nomina. Auffällig ist, dass die zum Beispiel im Bestand des Kölner Flottenlagers an der Alteburg so häufig beobachteten Kerben in Standringen oder Rändern von Terra-Sigillata-Gefäßen (A. Düerkop / P. Eschbaumer, Die Terra Sigillata im römischen Flottenlager an der Alteburg in Köln. Das Fundmaterial der Ausgrabung 1998. Kölner Stud. zur Arch. d. röm. Provinzen 9 [Rahden 2007] 219–224) in Neuss eher selten vorzukommen scheinen (etwa Kat. 421). Die Auswertung nach Sprache und Schrift (Kap. 7.4.1 und 7.4.2) ist zwar immer noch obligatorisch bei Graffitovorlagen, aber auf Grund des spröden Schreibgrundes und der Zeichenhaftigkeit sind der paläographischen Auswertung von Graffiti von vornherein enge Grenzen gesetzt. In Neuss auffällig sind allein die recht hohe Anzahl und die Vielfalt von Ligaturen (S. 48). Es folgen einige Namenlisten – aufgeteilt in »einfache Namen«, »mehrteilige Namen« und »Tria nomina und Kombinationen aus 3 und mehr Buchstaben« –, die aber keine wirkliche Auswertung erfahren. Leider wird hier und auch an anderer Stelle nie konsequent zwischen Graffiti ante und post cocturam, also vor oder nach dem keramischen Brand unterschieden. Ähnlich sind in den Namenslisten beispielsweise auch Dipinti auf Amphoren berücksichtigt, und damit Namen von Personen, die ganz sicher nie in Novaesium weilten und deren Einbeziehung das Bild verfälscht. In dem überwiegend militärisch geprägten Umfeld von Novaesium überrascht es nicht, dass Frauennamen, mit nur drei sicheren Nennungen, kaum vertreten sind (Kat. 7, 662, 521 und vielleicht 610). Insgesamt recht selten ist auch der Nachweis eines Besitzerwechsels bei einem Terra-Sigillata-Teller (Kat. 21) sowie der Sonderfall eines Monogramms, das aus jeder Richtung gelesen immer wieder »val« ergibt (Kat. 89). Aus wirtschaftshistorischer Sicht geben die Graffiti aus Neuss nur sehr karge Informationen; unter anderem sind ein Salbenhändler (Seplasiarius, Kat. 316, Lesung allerdings nicht ganz sicher) und nur wenige Warenbezeichnungen vertreten (Sal – Salz, Kat. 470 und 488; Rumex – Sauerampfer, Kat. 940). Angesichts der oben dargelegten, recht unklaren Truppendislokation in Novaesium hatte man große Hoffnungen, mit Hilfe entsprechender Namensgraffiti auf die geographische Herkunft einzelner Soldaten und damit vielleicht auch auf die Herkunft ganzer Truppenteile schließen zu können (so etwa Christoph B. Rüger in: H. Chantraine u. a., Das römische Neuss [Stuttgart 1984] 19). Zu diesem Fragenkomplex kann der Verfasser tatsächlich einiges Neue beitragen, und dies gehört zu den wichtigen Ergebnissen der Arbeit. So findet sich eine Konzentration augusteisch-tiberischer Graffiti mit griechischen Namen im Bereich der Lager A-I nahe des Rheinlaufs. Der Autor vermutet hier wohl zu Recht einen Hafen der Militärflotte, deren Angehörige in jener Zeit zu einem Großteil aus dem griechischen Osten rekrutiert wurden. Zudem kann er in Neuss einen überproportionalen Anteil hispanischer Namen ausmachen, die man wohl mit den beiden jeweils aus Spanien nach Novaesium abkommandierten Legionen V Alaudae (im Jahr 9 n. Chr.) und VI Victrix (nach 69 n. Chr.) in Verbindung bringen kann, auch wenn Kütter in diesem Punkt mit gutem Grund sehr vorsichtig bleibt. Der für den Rezensenten interessanteste Punkt beschließt die Arbeit: Im Zusammenhang mit den zeichenartigen Symbolen, wie etwa Stern, Radmuster oder Hahnenfuß, kommt der Verfasser auf die zahlreichen X-Zeichen zu sprechen, die sich auf rund einem Fünftel der Objekte finden. X-Zeichen wurden auch schon von anderen Autoren erkannt und meist als Eigentumsmarken von Analphabeten gedeutet. Für diese Zeichen, insbesondere im Standring von Terra-Sigillata- Gefäßen, schlägt der Autor nun eine interessante neue Interpretation als Kennzeichnung von Gefäßen zweiter Wahl vor. In Analogie zu neuzeitlichen Beispielen (beispielsweise der Porzellanmanufaktur in Meißen) sollen diese Zeichen noch am Produktionsort zur Markierung minderer, aber noch verkaufbarer Qualitäten angebracht worden sein, etwa auch, um an Zollgrenzen nicht den vollen Steuersatz auf die geminderte Ware entrichten zu müssen. Er stützt seine These mit der bemerkenswerten Tatsache, dass alle in Neuss zum Beispiel anhand von unebenen Standringen, Lunkern oder Brennrissen als qualitätsgemindert erkannte Stücke tatsächlich ein X oder einen Stern aufweisen. Seine Theorie könnte auch das öfters beobachtete gleichzeitige Vorkommen von Namensgraffito und X-Zeichen auf ein und demselben Gefäß erklären. Natürlich fordert Kütters Interpretation eine grundsätzliche Diskussion geradezu heraus, ob man neuzeitliche Standards derart auf die Antike übertragen kann. Einige Töpferpapyri legen immerhin nahe, dass sich der Warenwert auch bei einfachem Tongeschirr unter anderem an äußerlichen Mängeln wie Schmauchspuren orientieren konnte (P. Oxy. 50.3595 vom 5. September 243 n. Chr.). Und auch bei kaiserzeitlichen Grabausstattungen gibt es immer wieder das Phänomen von mitgegebenen Fehlbränden oder – wie es oft in der Literatur heißt – »Gefäßen zweiter Wahl«. Die Mehrzahl der X-Zeichen als Markierungen von Gefäßen zweiter Wahl zu verstehen, ist eine originelle Idee, die in Zukunft ernsthaft zu prüfen sein wird. Der Autor gibt auch den weiteren Weg der Forschung mit einem ganzen Katalog von Fragen vor (S. 99). In erster Linie ist hier an eine Überprüfung von Beständen aus Terra-Sigillata-Töpfereien und Warenlagern beziehungsweise Händlerdepots zu denken. Die S. 94–97 gegebene Liste dementsprechender Geschirrdepots wäre zum Beispiel um die Funde vom Magdalensberg, von Cala Culip, Mainz-Weisenau, Bingen, Echzell, Ober-Florstadt oder Sankt Pölten ergänzbar. Die mögliche Interpretation als Ware zweiter Wahl zwingt auch dazu, bei künftigen Graffitovorlagen noch mehr als bisher auf den Schriftträger und dessen Qualität zu achten. Insgesamt ist Kütters Arbeit ein Gewinn, obwohl sie einige Unsicherheiten zeigt, wenn beispielsweise von den Canabae eines Aalenlagers (S. 98) die Rede ist oder das gehäufte Vorkommen von Vorratsgefäßen als nur zu natürlich angenommen wird, weil sie aus einer Fabrica des sogenannten Basartyps stammen (S. 29). Mit den Graffiti aus Neuss wird aber auch einmal mehr deutlich, dass den Möglichkeiten zur Interpretation von Graffiti sehr enge Grenzen gesetzt sind, und dass frühere Hoffnungen, anhand der Graffiti entscheidend zur Kenntnis der geographischen und sozialen Herkunft der an einem Militärstandort versammelten Personen beitragen zu können, wohl doch zu optimistisch waren. Quelle: Bonner Jahrbücher, Band 208, 2008 (geschrieben von Alexander Heising) |
Recensie: 01.03.2011Bonner Jahrbücher, Band 208, 2008 (geschrieben von Alexander Heising) Reeks: Geschichtswissenschaft Jochen Kütter - Graffiti auf römischer Gefäßkeramik aus Neuss978-3-8322-7237-1 Seit wenigen Jahren beschäftigt sich die internationale Forschergemeinde wieder vermehrt mit Fragen zur Schriftlichkeit in den römischen Provinzen. Dies dürfte nicht zuletzt dem Umstand geschuldet sein, dass man seit den spektakulären Schreibtäfelchen von Vindolanda... » meer |
Marc Engels Die "Wirtschaftsgemeinschaft des Westlandes" Bruno Kuske und die wirtschaftswissenschaftliche Westforschung zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik Die Berufsbiographie des bekannten und einflussreichen Kölner Wirtschaftshistorikers Bruno Kuske (1876-1964) ist das Thema der aufschlussreichen Aachener Dissertation von Marc Engels. Der Autor skizziert zunächst die akademische Sozialisation Kuskes (S. 39ff.), der von 1903 bis 1908 am Historischen Archiv der Stadt Köln seine Edition Quellen zur Geschichte des Kölner Handels und Verkehrs im Mittelalter erarbeitete (4 Bde., 1917-1923 publiziert), sich 1908 an der Kölner Handelshochschule habilitierte und 1912 dort eine Dozentenstelle für Wirtschaftsgeschichte übernahm. Von 1917 bis 1951 war der Sozialdemokrat Bruno Kuske dann der erste wirtschaftshistorische und wirtschaftsgeografische Ordinarius an einer deutschen Hochschule. Ehrgeiz, ein ausgeprägtes Streben nach materieller und öffentlicher Anerkennung sowie Sozialprestige kennzeichneten ihn ebenso wie Staats- und Autoritätsfixierthek. Engels kann überzeugend darlegen, dass der Wissenschaftler Kuske sich als Dienstleister für das politische und ökonomische System [verstand], der wirtschaftshistorisch-geographisches Wissen für Planungsaufgaben bereitstellte (S. 49): Kuske bemühte sich darum, die Geopolitik in die Wirtschaftsgeografie zu integrieren und in seiner Wirtschaftsraumlehre die konstituierenden natürlichen und historischen Faktoren eines Wirtschaftsraumes zu analysieren und als Entscheidungsgrundlage für die Politik aufzubereiten (S. 48). Engels zeichnet in seiner Untersuchung ausführlich nach, wie sich Kuskes von geopolitischem Großraumdenken geprägter Ansatz seit den Jahren des Ersten Weltkriegs über die Weimarer Republik und die NS-Zeit bis in den Zweiten Weltkrieg entwickelte und mehr und mehr radikalisierte, und wie er dabei zeitgenössische Theoreme wie Volk, Rasse und die Lebensraumtheorie in seine Arbeiten [inkorporierte] (S. 48). Kuskes Forschungen und Publikationen sind vor allem dem Wirtschaftsraum der Rheinlinie gewidmet, der für ihn mit angrenzenden Räumen vielfach verflochten war und dessen Zentrum für ihn die Stadt Köln darstellte. Betätigte sich Kuske während der Weimarer Zeit von Köln aus als unermüdlicher Forschungsorganisator und Netzwerker in der neuen Raumforschung sowie der Westforschung, der Volksforschung und der empirischen Wirtschaftsforschung, so ist hier bereits eine zunehmende Politisierung seiner Arbeit (S. 109) zu erkennen. Der >Politikberater< Kuske war in den Medien - auch dem modernen Radio - massiv präsent, vertrat lokale und regionale Interessen, etwa der Stadt Köln, fertigte parteiische Auftragsgutachten, hielt zahlreiche Vorträge, popularisierte die Wirtschaftsgeschichte im großen Stil und wirkte auch an wichtigen Ausstellungen mit. Stilisierte sich der Sozialdemokrat Kuske nach 1945 als Opfer und Gegner des Nationalsozialismus (kurzzeitige Verdrängung und Entzug des Lehrstuhls1933/34, mehrwöchige Inhaftierung nach dem 20. Juli 1944), so kommt Engels´ eingehende Untersuchung seines Agierens in den Jahren von 1933 bis 1945 zu einem deutlich anderen Befund: Der Kölner Wirtschaftshistoriker legte im nationalsozialistischen Deutschland nicht nur einen ausgesprochenen Opportunismus an den Tag (Ulrich S. Soenius), sodass er seine Karriere als Hochschullehrer und Publizist ungebrochen fortsetzen konnte. Vielmehr ging seine >Anpassung< soweit, dass Kuske in der Presse omnipräsent (S. 127) blieb, bei politischen Schulungen oder Propagandaveranstaltungen auftrat und seine Forschungsbemühungen und zahllosen Veröffentlichungen reibungslos in den Dienst der Lebensraumvorstellungen des NS-Regimes stellte. Der >Politikberater<, Netzwerker und Organisator von universitärer und außeruniversitärer Forschung wurde etwa im Rahmen der nationalsozialistischen Reichsstelle für Raumordnung sowie der Reichsarbeitsgemeinschaft für Raumforschung aktiv, und Kuske leitete schließlich die Hochschularbeitsgemeinschaft für Raumforschung an der Kölner Universität, deren Arbeit der nationalsozialistischen Expansionspolitik diente.) Als in der ersten Hälfte des Zweiten Weltkriegs für die diversen Planungsstäbedes NS-Regimes ethnische und ökonomische Neuordnungen - vor allem im Osten, aber auch in Westeuropa - auf die Agenda rückten, begann für die West-und Raumforschung eine neue Phase. Hatten Kuskes Arbeiten schon in der Weimarer Zeit eine antiwestliche Stoßrichtung aufgewiesen, so gestaltete sich sein von einer Großraumideologie geprägtes Konzept einer westeuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft in dieser Phase zunehmend zur Zwangsvereinigung Westeuropas unter deutscher Herrschaft: Es war als ein germanischer Wirtschaftsraum in Nordwesteuropa konstruiert, in welchem den anderen Völkern nach völkischen beziehungsweise rassischen Kriterien bestimmte dienende beziehungsweise >ergänzende< Funktionszuweisungen zukamen (S. 187). Die Forschungsbemühungen, Publikationen und Ausstellungsarbeiten Kuskes sowie seiner Kollegen kreisten in immer raumgreifenderen und aggressiveren Varianten (S. 363) um dieses asymmetrisch gestaltete ökonomische Großraumkonzept, das vor allem die Niederlande, Belgien sowie Nordfrankreich erfasste, und als dessen Kern nach wie vor Köln fungierte. Im weiteren Verlauf des Zweiten Weltkriegs entwickelte der ehrgeizige Kölner Wirtschaftshistoriker und Wirtschaftsgeograf - zusätzlich zu seiner Netzwerkarbeit und seiner Publikationstätigkeit in den besetzten Westgebieten - dann auch eine geradezu erstaunliche Präsenz innerhalb nationalsozialistischer Medien auf Reichsebene (S. 266). Das im Haupttitel von Engels´ zitierte Schlagwort von der imaginären Wirtschaftsgemeinschaft des Westlandes prägte Kuske in einem Aufsatz für die Zeitschrift Westland 1934/44. Hinter diesem Organ stand die SS, und die Zeitschrift postulierte für den Westen eine >Gemeinschaft< zwischen den deutschen Herrschern und den Beherrschten, die für die Zwecke der deutschen Ostaggression instrumentalisiert werden sollte (S. 267). Kuske lieferte für die offiziellen Publikationen der westlichen Besatzungsverwaltungen [...] das wirtschaftsgeographisch-historische Expertenwissen als Herrschaftslegitimierung (S. 269) und war - so Engels - explizit bereit, sich an politischer Zweckmäßigkeit zu orientieren (S. 270). Von 1942 bis 1944 war Kuske schließlich intensiv in die Germanische Forschungsaufgabe involviert. Es handelte sich um ein Großraumforschungsprojekt der SS, welches als Forschungsverbund für den Westen eine komplementäre Lebensraumplanung zu den Ostplanungen darstellen sollte und aus einem Niederlande- sowie einem Belgien-Nordfrankreich-Programm bestand. Seine nachträglichen Distanzierungsbemühungen aus dem Jahr 1945 kann Engels widerlegen (S. 351). Nach Kriegsende konstruierte Kuske sich im Sommer 1945 einen neuen Lebenslauf, indem er Weglassungen und Erfindungen, Über- und Untertreibungen, Halb- und Unwahrheiten kombinierte (S. 371). In diversen Funktionen und als Hochschullehrer versuchte der Wissenschaftsmanager Kuske nun noch einmal vergeblich, eine gleichsam defensive Variante seiner Westforschung in einer staatlich gelenkten Raumforschung durchzusetzen. Marc Engels´ detaillierte Studie über Bruno Kuske liefert zahlreiche neue Erkenntnisse zur sogenannten Westforschung sowie den beteiligten Akteuren und stellt damit einen wichtigen Beitrag zur Wissenschaftsgeschichte des Nationalsozialismus dar. Zugleich ist seine Untersuchung auch für die Regionalgeschichte der NS-Zeit von großem Interesse.Stefan Wunsch, Köln Quelle: shVerlag |
Recensie: 24.02.2011shVerlag Reeks: Aachener Studien zur Wirtschafts- und Sozialgeschichte Marc Engels - Die "Wirtschaftsgemeinschaft des Westlandes"Bruno Kuske und die wirtschaftswissenschaftliche Westforschung zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik 978-3-8322-6642-4 Die Berufsbiographie des bekannten und einflussreichen Kölner Wirtschaftshistorikers Bruno Kuske (1876-1964) ist das Thema der aufschlussreichen Aachener Dissertation von Marc Engels. Der Autor skizziert zunächst die akademische Sozialisation Kuskes (S. 39ff.),... » meer |
Jochen Kütter Graffiti auf römischer Gefäßkeramik aus Neuss
Jochen Kutter, Graffiti auf römischer Gefäßkeramik aus Neuss.
Periode I: 273 (= 28,3 Prozent); Periode II: 413 (42,8 Prozent); Periode III: 116 (12,0 Prozent); Periode I und II: 50 (5,2 Prozent); Periode II und III: 18 (1,9 Prozent); Periode I-III: 15 (1,6 Prozent); unbestimmbar: 79 (8,2 Prozent). Es ist also keineswegs so, dass das augusteisch-tiberische Material überwiegt, wie man beim bisherigen Publikationsstand der Keramik aus Neuss denken könnte, sondern auf Grund der flächigen Freilegung liegt der Schwerpunkt auf dem Koenenlager und dessen Canabae. Im zweiten Jahrhundert dünnt die Reihe der beschrifteten Keramik rasch aus, die jüngsten Stücke sind eine Handvoll Scherben aus dem Ende des zweiten und dem Anfang des dritten Jahrhunderts (Kat. 396,534,750,844, 958 und vielleicht 963). Wie auch an anderen Militärstandorten festgestellt wurde, sind uns heute Graffiti in Neuss vor allem auf Terra Sigillata überliefert (710 von 964 = 73,65 Prozent). Es folgen Schriftzeichen auf Amphoren mit 161 Stück (= 16,7 Prozent des Gesamtbestands) und 93 auf »sonstigem Geschirr« (= 9,5 Prozent; Daten nach Tabelle S. 32 umgerechnet). Entgegen der Aufteilung in Abbildung 8 werden die Amphorenbeschriftungen unter dem Kapitel »Graffiti auf anderer Keramik« und nicht eigenständig abgehandelt, was sicher sinnvoll gewesen wäre, weil deren Kennzeichnungen einem ganz anderen Zweck unterlagen. Insgesamt passt sich der Graffitibestand von Neuss gut in den bekannten Forschungsstand ein. Unter den Stichworten »Zweck der Beschriftung« und »Gestaltung und Anbringung der Graffiti« kann Kütter daher nur wenig Neues beitragen. Die allermeisten Graffiti waren wohl Eigentumsmarkierungen. Formal lassen sich zwei Arten solcher Kennzeichnungen unterscheiden:
Auffallig ist, dass die zum Beispiel im Bestand des Kölner Flottenlagers an der Alteburg so häufig beobachteten Kerben in Standringen oder Rändern von Terra-Si-gillata-Gefäßen (A. Düerkop / P. Eschbaumer, Die Terra Sigillata im römischen Flottenlager an der Alteburg in Köln. Das Fundmaterial der Ausgrabung 1998. Kölner Stud. zur Arch. d. röm. Provinzen 9 [Rahden 2007] 219—224) in Neuss eher selten vorzukommen scheinen (etwa Kat. 421). Die Auswertung nach Sprache und Schrift (Kap. 7.4.1 und 7.4.2) ist zwar immer noch obligatorisch bei Graffitovorlagen, aber auf Grund des spröden Schreibgrundes und der Zeichenhaftigkeit sind der paläographischen Auswertung von Graffiti von vornherein enge Grenzen gesetzt. In Neuss auffällig sind allein die recht hohe Anzahl und die Vielfalt von Ligaturen (S. 48). Es folgen einige Namenlisten — aufgeteilt in »einfache Namen«, »mehrteilige Namen« und »Tria nomina und Kombinationen aus 3 und mehr Buchstaben« —, die aber keine wirkliche Auswertung erfahren. Leider wird hier und auch an anderer Stelle nie konsequent zwischen Graffiti ante und post cocturam, also vor oder nach dem keramischen Brand unterschieden. Ähnlich sind in den Namenslisten beispielsweise auch Dipinti auf Amphoren berücksichtigt, und damit Narnen von Personen, die ganz sicher nie in Novaesium weilten und deren Einbeziehung das Bild verfälscht. In dem überwiegend militärisch geprägten Umfeld von Novaesium überrascht es nicht, dass Frauennamen, mit nur drei sicheren Nennungen, kaum vertreten sind (Kat. 7, 662, 521 und vielleicht 610). Insgesamt recht selten ist auch der Nachweis eines Besitzerwechsels bei einem Terra-Sigillata-Teller (Kat. 21) sowie der Sonder¬fall eines Monogramms, das aus jeder Richtung gelesen immer wieder »VAL« ergibt (Kat. 89). Aus wirtschaftshistorischer Sicht geben die Graffiti aus Neuss nur sehr karge Informationen; unter anderem sind ein Salbenhändler (Seplasiarius, Kat. 316, Lesung allerdings nicht ganz sicher) und nur wenige Waren¬bezeichnungen vertreten (Sal - Salz, Kat. 470 und 488; Rumex — Sauerampfer, Kat. 940). Angesichts der oben dargelegten, recht unklaren Truppendislokation in Novaesium hatte man große Hoffnungen, mit Hilfe entsprechender Namensgraffiti auf die geographische Herkunft einzelner Soldaten und damit vielleicht auch auf die Herkunft ganzer Truppenteile schließen zu können (so etwa Christoph B. Rüger in: H.Chantraine u. a., Das römische Neuss [Stuttgart 1984] 19). Zu diesem Fragenkomplex kann der Verfasser tatsächlich einiges Neue beitragen, und dies gehört zu den wichtigen Ergebnissen der Arbeit. So findet sich eine Konzentration augusteisch-tiberischer Graffiti mit griechischen Namen im Bereich der Lager A-I nahe des Rheinlaufs. Der Autor vermutet hier wohl zu Recht einen Hafen der Militärflotte, deren Angehörige in jener Zeit zu einem Großteil aus dem griechischen Osten rekrutiert wurden. Zudem kann er in Neuss einen überproportionalen Anteil hispanischer Namen ausmachen, die man wohl mit den beiden jeweils aus Spanien nach Novaesium abkommandierten Legionen V Alaudae (im Jahr 9 n. Chr.) und VI Victrix (nach 69 n. Chr.) in Verbindung bringen kann, auch wenn Kutter in diesem Punkt mit gutem Grund sehr vorsichtig bleibt. Der für den Rezensenten interessanteste Punkt beschließt die Arbeit: Im Zusammenhang mit den zeichenartigen Symbolen, wie etwa Stern, Radmuster oder Hahnenfuß, kommt der Verfasser auf die zahlreichen X-Zeichen zu sprechen, die sich auf rund einem Fünftel der Objekte finden. X-Zeichen wurden auch schon von anderen Autoren erkannt und rneist als Eigentumsmarken von Analphabeten gedeutet. Für diese Zeichen, insbesondere im Standring von Terra-Sigillata-Gefäßen, schlägt der Autor nun eine interessante neue Interpretation als Kennzeichnung von Gefäßen zweiter Wahl vor. In Analogie zu neuzeitlichen Beispielen (bei¬spielsweise der Porzellanmanufaktur in Meißen) sollen diese Zeichen noch am Produktionsort zur Markierung minderer, aber noch verkauf barer Qualitäten angebracht worden sein, etwa auch, um an Zollgrenzen nicht den vollen Steuersatz auf die geminderte Ware entrichten zu müssen. Er stützt seine These mit der bemerkenswerten Tatsache, dass alle in Neuss zum Beispiel anhand von unebenen Standringen, Lunkern oder Brennrissen als qualitätsgemindert erkannte Stücke tatsächlich ein X oder einen Stern aufweisen. Seine Theorie könnte auch das öfters beobachtete gleichzeitige Vorkommen von Namensgraffito und X-Zeichen auf ein und demselben Gefäß erklären. Natürlich fordert Kutters Interpretation eine grundsätzliche Diskussion geradezu heraus, ob man neuzeitliche Standards derart auf die Antike übertragen kann. Einige Töpferpapyri legen immerhin nahe, dass sich der Warenwert auch bei einfachem Tongeschirr unter anderem an äußerlichen Mängeln wie Schmauchspuren orientieren konnte (P. Oxy. 50.3595 vom 5. September 243 n. Chr.). Und auch bei kaiserzeitlichen Grabausstattungen gibt es immer wieder das Phänomen von mitgegebenen Fehlbränden oder - wie es oft in der Literatur heißt — »Gefäßen zweiter Wahl«. Die Mehrzahl der X-Zeichen als Markierungen von Gefäßen zweiter Wahl zu verstehen, ist eine originelle Idee, die in Zukunft ernsthaft zu prüfen sein wird. Der Autor gibt auch den weiteren Weg der Forschung mit einem ganzen Katalog von Fragen vor (S. 99). In erster Linie ist hier an eine Überprüfung von Beständen aus Terra-Sigillata-Töpfereien und Warenlagern beziehungsweise Händlerdepots zu denken. Die S. 94-97 gegebene Liste dementsprechender Geschirrdepots wäre zum Beispiel um die Funde vom Magdalensberg, von Cala Culip, Mainz-Weisenau, Bingen, Echzell, Ober-Florstadt oder Sankt Polten ergänzbar. Die mögliche Interpretation als Ware zweiter Wahl zwingt auch dazu, bei künftigen Graffitovorlagen noch mehr als bisher auf den Schrift¬träger und dessen Qualität zu achten. Insgesamt ist Kutters Arbeit ein Gewinn, obwohl sie einige Unsicherheiten zeigt, wenn beispielsweise von den Canabae eines Aalenlagers (S. 98) die Rede ist oder das gehäufte Vorkommen von Vorratsgefäßen als nur zu natürlich angenommen wird, weil sie aus einer Fabrica des sogenannten Basartyps stammen (S.29). Mit den Graffiti aus Neuss wird aber auch einmal mehr deutlich, dass den Möglichkeiten zur Interpretation von Graffiti sehr enge Grenzen gesetzt sind, und dass frühere Hoff¬nungen, anhand der Graffiti entscheidend zur Kenntnis der geographischen und sozialen Herkunft der an einem Militärstandort versammelten Personen beitragen zu können, wohl doch zu optimistisch waren. Freiburg im Breisgau Alexander Heising Quelle: Bonner Jahrbuch 208 (Jahrgang 2008, gedruckt 2010) |
Recensie: 22.02.2011Bonner Jahrbuch 208 (Jahrgang 2008, gedruckt 2010) Reeks: Geschichtswissenschaft Jochen Kütter - Graffiti auf römischer Gefäßkeramik aus Neuss978-3-8322-7237-1
Jochen Kutter, Graffiti auf römischer Gefäßkeramik aus Neuss. |
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