Karl-Heinz Anton Suszeption der Verdorbenheit Zur Rhetorik ISBN: 978-3-8322-9996-5 Prijs: 19,80 € / 39,60 SFR |
|
Der Titel klingt zunächst spröde und verlangt gleich nach einem Brockhaus, der über das erste Wort kaum Aufschluss gibt: S. als Annahme, Übernahme von Verdorbenheit? Reden solle verdorben sein oder sein können? Genau dies möchte der Verf. thematisieren, um Reflektion über Reden als der Grundform aller Kommunikation anzustoßen. Auf den ersten Blick ist Reflektion zwar nichts technisches, kann aber dazu beitragen, Verhalten zu verändern und Lernprozesse in Gang zu setzen. Die Bezüge des Autors verweisen darauf, dass sich das Buch als kritische Theorie versteht, als eine Dialektik der Rhetorik, mit der sich Unheil stiften lässt genau so, wie sie dazu dienen kann und muss, das Neue im eigenen Wollen auszudrücken und für politisch gesonnene Zeitgenossen das gewollte Gute anzuschieben. Der Bezug auf Niklas Luhmann könnte eine große Abstraktion mit sich bringen, wenn man sich nicht vergegenwärtigte, dass selbst noch der kleinste Betrieb als "soziales System" sich konstituiert und nur so. Bevor noch über wirtschaftliche Codes gesprochen werden kann, müssen Menschen für einen gemeinsamen Zweck integriert werden und insofern sind zwar technisch gesehen, Menschen als personale Systeme immer Umwelt im sozialen System Betrieb, aber eine Umwelt die freundlich gestimmt werden muss, wenn das Werk gelingen soll. Reden: Führungskräfte bekommen zwar ab und an Modelle von Führungsstilen vorgesetzt, die nur allzu häufig rein äußerlich bleiben, wenn in Unternehmen das hidden curriculum anderes verlangt, gar Ellenbogen, um nicht unterzugehen. Obwohl selbst dies sich u.U. nur einer Blickverengung verdankt. Reden, um das eigene Wollen wirklich werden zu lassen, setzt dort, wo es noch keine ausgefeilte Befehlsgewalt und keine ausgemachten Machtstrukturen gibt, ein erhebliches Maß von diplomatischen, aufbauenden und fördernden Elemente voraus, schließlich um im Sinne der Maslowschen Bedürfnispyramide Selbstbewusstsein zu entfalten, damit Mitarbeiter auch in fremden Situationen angemessen reagieren können. Sollte sich überdies noch Freundlichkeit einstellen, können Netzwerke mit Kunden entstehen, die noch das kleinste Unternehmen über Schwierigkeiten des Absatzes hinweghelfen. Selbst dort, wo man meint, sich auf Macht verlassen zu können, wird bei genauerem Hinsehen die stetige sanfte und wahrhaftige Überzeugungsrede Platz greifen müssen, sonst lösen sich zunächst gut dastehende Unternehmen einfach auf, in dem die besten Mitarbeiter oder Abteilungen geschlossen aussteigen. Diesen Beziehungen wird in aller Regel viel zu wenig Gewicht beigemessen, obwohl es gerade die Treueverhältnisse in den Netzwerken sind, die für Stabilität sorgen, bevor noch Preis oder Konditionenverhandlungen einsetzen. Treueverhältnisse entstehen über die Generierung und Aktualisierung von Vertrauen, das nicht einfach da oder nicht da ist, sondern wie ein Pflänzchen in einem Unternehmen und gegenüber Kunden gepflegt werden muss. Zum Aufbau von Vertrauen benötigt man mindestens ein Jahr, der Verlust dagegen kann blitzschnell erfolgen. Dies ist völlig unabhängig von der Größe eines Unternehmens zu sehen. Nur die Personen, die an den jeweiligen Grenzen des Unternehmens agieren, sind andere bzw. und agieren mit anderen Teilen der Umwelt: Vorstände z.B. mit Banken und Aufsichtsrat, Key Account Manager mit Großkunden, Entwicklungsingenieure mit Forschungsinstituten. Der Verweis auf Märkte als kalte Verteilungsmaschinen zieht nicht, denn die je spezifischen Märkte sind eben wieder Netzwerke von Menschen. Menschen lassen sich nicht einfach manipulieren wie Pferde, denen man Möhren vors Maul bindet. Die von Führungskräften zu vertretenden Redegeschichten binden sie selbst, wenn man ihnen gegenüber Vertrauen aufrechterhalten können soll. Die Bezüge des Verfassers zu Sartre sind deshalb außerordentlich wichtig. Der Blick der anderen wird durch die eigenen Redegeschichten bestimmt und gefestigte Urteile wandeln sich wieder schnell. Insofern kann man nicht auf den Glauben zurückgreifen, was einen denn das Geschwätz von gestern störe. Die vom Verfasser vorgetragene Vertiefung mit Hilfe von Sigmund Freud soll den Gedanken frei machen dafür, dass eigene Reden und Redegeschichten von zahlreichen charakterlichen Eigenschaften beeinflusst werden, die für den informativen Gehalt einer Rede sehr kontraproduktiv werden können. Reaktionen wie die: da setze sich der große Monolog wieder vor die Tafel einer Mitarbeiterbesprechung würden zeigen, dass die ganze Besprechung für die Katz ist bis hin zu inneren Kündigungen. Wer als Führungskraft nur das eigene Ego vor sich her trägt, kann die anderen der Kommunikation nicht mehr richtig wahrnehmen, selbst wenn man in der bloßen Technik des "aktiven Zuhörens" geschult ist. Wer als Vorgesetzter glaubt, die "Sau raus lassen" zu können, wird in seinem Führungsanspruch gnadenlos scheitern. Verfasser zeigt mit hoher Sensibilität genau diese möglichen Schwachstellen auf, die Scheitern im Beruf, in Vereinen oder politischen Verbänden immer wieder zur Folge haben. Wer reden will und durch Reden führen muss, sollte zunächst sich selbst in den Blick nehmen und wenigstens die Frage beantworten, was ihn selbst verletzen würde. Zwar kann niemand aus seiner Haut heraus, aber er der Tatsache eingedenk sein, wie Denken und Reden von eigenen seelischen Konflikten kontaminiert werden kann. Wir sind keine körperlosen und geschichtslosen Wesen, unser Denken wird auch durch das Triebleben gesteuert, unser körperlicher Auftritt in der Redeintensität, in der Wortwahl usw. Für neue Situationen, für spontane Eingriffe in Arbeitsprozesse gibt es kein Drehbuch. Und täglich wird das soziale System Betrieb neu konstituiert, andernfalls endet dessen Geschichte sehr rasch. Dies Buch hat zahlreiche moralphilosophische Implikationen. Moral hat ihre Quelle nicht in artifiziellen Diskursen über Begründungsprobleme, sondern in der Anerkennung des anderen Menschen, der mit einer anderen Geschichte und seelischen Lage sich in einen Arbeitszusammenhang einbringt. Kommunikative Rationalität so wenig wie strategische oder technische kann ohne dies Moment des Miteinander Redens überhaupt entstehen, geschweige denn aufrechterhalten werden. Der zunächst spröde wirkende Titel eines schmalen Buches enthält die Aufforderung: Denk nach, bevor Du mit anderen Menschen redest, ob die möglichen darin enthaltenen Verletzungen und Angriffe nicht genau das Gegenteil Deines Wollens bewirken. Sei klug in einem übergreifenden Sinne. | |
Bron: Dipl.-Kfm W. Teune Unternehmensberater | |
verder naar publicatie ... |