Kurt Schorn
Lichtblick
Erzählung. Auswirkung und Bewältigung einer unheilbaren Netzhauterkrankung
Piet ist jung, hat sein Studium beendet und die Welt scheint ihm zu Füßen zu liegen. Mit seiner Freundin Sophia plant er ein Leben, in dem sie sich ihre Träume erfüllen mit gut bezahlten Jobs, Sportwagen, Haus, Heirat und zwei Kindern. Ihre Träume beginnen sich zu erfüllen. Bis die Diagnose eines Augenarztes bei der Einstellungsuntersuchung Piet wie ein Blitz trifft: Retinopathia Pigmentosa (RP).
Gelingt es Piet anfangs, die Augenkrankheit zu verdrängen, werden ihre Auswirkungen größer. Er wird mit der Krankheit konfrontiert und die Krankheit konfrontiert ihn. Die Folgen von Piets Sehschwäche: Der Chef bleibt ungegrüßt, der Inhalt eines Glases ergießt sich über den Anzug eines Kollegen und das parkende Auto des Abteilungsleiters wird bei Dunkelheit gerammt.
Piet wird innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraums stark sehbehindert. Sein Drei-Jahres-Vertrag bei der Bank kann nicht verlängert werden. Er verliert seinen Job, seine Lebensträume und fast auch – seine Frau. Er steckt in einer tiefen Krise.
Auf der Suche nach einem Ausweg macht ihn der Psychologe Franklin, der mit behinderten Kindern arbeitet, mit einer Theorie des amerikanischen Psychologen Shontz bekannt. Sie gibt Antwort auf Piets drängende Fragen: Was ist eine Behinderung? Wie wirkt eine Behinderung auf die Psyche? Gibt es Modelle, die den Bewältigungsprozess erklären?
Das Wissen um die einzelnen Phasen der Auseinandersetzung mit einer Behinderung hilft Piet zunächst, seine neue Situation, die sich ändernde Gefühls- und Erlebenswelt zu verstehen.
Kurt Schorn, vielen bekannt als Vorsitzender der Selbsthilfevereinigung Pro Retina, gibt sein erstes Buch heraus. Er erzählt auf einfühlsame Weise, wie Piet sich mit seiner Krankheit auseinander setzt. In einem sehr schmerzlichen Erfahrungsprozess lernt Piet, neue Grenzen zu akzeptieren, aber auch neue Perspektiven zu entwickeln. Bis er seine Behinderung annehmen und seinen Lebensentwurf neu fassen kann, ist es ein weiter Weg zwischen Verzweifeln und Hoffen.
Kurt Schorn, selbst Psychologe und RP-Betroffener, gelingt es, die Lebens- und Leidensgeschichte von Piet authentisch zu erzählen. Es ist naheliegend, dass Piet autobiografische Züge des Autors trägt. Die Erzählung besticht durch Detailtreue und große Sachkenntnis, wenngleich sie stilistische Mängel hat. Diese sollte der Leser dem ungeübten Schreiber nachsehen, denn im Vordergrund steht der Inhalt.
Von einer Behinderung betroffenen Menschen kann das Buch eine wichtige Hilfe bei der Auseinandersetzung mit Behinderung sein. Dass es gelingt, dafür gebe es keine Garantie, sagt Franklin. „Aber es lohnt sich, denn die Anstrengungen, die du für die Anerkennung oder Integration deiner Behinderung unternimmst, werden dir durch Zufriedenheit und Ausgeglichenheit in deinem zukünftigen Leben reichlich entlohnt“, gibt Franklin Piet mit auf den Weg. „Schließlich ist es bei den Menschen wie in der übrigen Natur: Die schönsten Aussichtsplätze erreicht man oft nur über die steinigsten Wege.“
Quelle: Sylvia Siebert in: Retina Aktuell Nr. 95 I/2005