Petra Saltuari Kunsttherapie in der Schwangerschaft Qualitativ-empirische Untersuchung von kunsttherapeutischen Interventionen bei Risikoschwangeren im Klinikum Frankfurt Höchst ISBN: 978-3-8440-4079-1 Prijs: 49,80 € / 62,25 SFR |
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Die vorliegende Publikation basiert auf der Dissertation von Petra Saltuari. Praxisnah beschreibt sie das noch nicht weiter erforschte Arbeitsfeld der Kunsttherapie in der Gynäkologie bzw. der Geburtshilfe, für das bisher kaum kunsttherapeutische Behandlungsangebote entwickelt wurden. Weil es eine Lücke schließt und auf ein noch auszubauendes Arbeitsfeld der Kunsttherapie hinweist, hoffe ich, dass dieses Buch sowohl von KunsttherapeutInnen als auch Medizinerlnnen gelesen wird.
Anhand konkreter Fallbeispiele untersucht die Autorin die Wirkung kunsttherapeutischer Interventionen im Sinne einer bildnerisch-ästhetischen Praxis. Das Klientel sind Schwangere, die sich aufgrund einer Komplikation in der Schwangerschaft und der daraus resultierenden krisenhaften Situation in einem Klinikaufenthalt befinden. Schwangeren Frauen mit Frühgeburtsbestrebungen werden im Rahmen ihres stationären Klinikaufenthaltes kunsttherapeutische Angebote gemacht, um deren subjektives Befinden zu verbessern, sie in einer Krise zu stabilisieren und psychischen Belastungen zu begegnen. Bereits diese allgemein gefassten Zielsetzungen machen aufmerksam auf eine Versorgungslücke, wie sie häufig in einem somatisch ausgerichteten Akutklinikbereich anzutreffen ist, dass nämlich kaum Zeit bleibt, sich um die psychischen Belange der werdenden Mütter zu kümmern. Das aber wäre wichtig, denn, wie Saltuari aufzeigt, können insbesondere ein anhaltender Stresspegel, Angst und Autonomieverlust sowie Schuldgefühle der werdenden Mutter die weitere Schwangerschaft, die kindliche Entwicklung und die Mutter-Kind-Bindung, beeinflussen. An dieser Ausgangslage anknüpfend lautet die zentrale Fragestellung der Untersuchung, welche kunsttherapeutischen Interventionen für Risikoschwangere wirksam eingesetzt werden können bzw. wie im Hinblick auf das methodische Vorgehen und auf den erforderlichen zeitlichen Umfang ein kunsttherapeutisches Angebot konzipiert und durchgeführt werden kann. Auf der Grundlage von Erfahrungswerten und ersten Beobachtungsdaten wurde ein Behandlungsangebot entwickelt, das zunächst mit zwei Schwangeren durchgeführt und anschließend singulär fallspezifisch ausgewertet und interpretiert wurde. Jede der beiden Frauen erhielt insgesamt 20 kunsttherapeutische Einzelsitzungen, die im Zeitraum von ca. zwei Monaten bis zur Entbindung stattfanden (in einem Fall fand die letzte Sitzung nach der Entbindung statt). Hinzu kommen einige kürzere Verläufe, teils von nur ein bis drei kunsttherapeutischen Sitzungen. Für die Erhebung, wie sich die kunsttherapeutischen Interventionen auf die betroffenen Frauen und deren Situation auswirken, kamen hauptsächlich qualitativ-empirische Forschungsverfahren zum Einsatz. Diese ermöglichen, vom konkreten Beispiel auszugehen und eine am Einzelfall ausgerichtete Erkundung in der "Tiefe" vorzunehmen, so dass gerade auch innerlich ablaufende Prozesse erfasst werden können, was ein Anliegen der Autorin war. Um die Validität der Studie zu erhöhen, wurde sie durch quantitatives Material erweitert. So werden Stundenprotokolle, Aufnahmen der Therapiesitzungen und Interviews mit Gynäkologinnen sowie Patientinnenfragebögen hinzugezogen. Das entstandene Bildmaterial wurde von der Autorin mit Hilfe einer Forschungsgruppe (sechs Doktoranden und ein Professor) ausgewertet. In der Wahl phänomenologischer Forschungsverfahren wird ihre Nähe zur kunstpädagogischen. Betrachtungsweisen deutlich. Und so nimmt in der Studie die Auseinandersetzung "Zwischen Kunsttherapie und Kunstpädagogik" ein eigenes Kapitel in Anspruch. Als Fazit der Untersuchung lässt sich herausstellen, dass zu Beginn der Kunsttherapie eher stabilisierende Methoden hilfreich sind, bis die schwangeren Frauen aus der Gefahr einer sehr frühen Frühgeburt heraus sind. Vorausgesetzt, dass eine tragfähige therapeutische Beziehung besteht, können im Anschluss daran auch krisenbearbeitende Methoden eingesetzt werden. In beiden untersuchten Einzelfällen bestätigte sich die Wirksamkeit des kunsttherapeutischen Behandlungsangebotes u.a. darin, dass eine emotionale Stabilisierung und Entspannung ebenso erreicht werden konnte wie eine Ich-Aktivierung und Ich-Stärkung. Darüber hinaus erweiterten sich die Kompetenzen der Frauen im Umgang mit ihren Ängsten vor der Geburt bzw. einer Frühgeburt, mit Schuldgefühlen oder Ambivalenzen sowie ihre Fähigkeiten, Konflikte zu klären. Trotz seines Forschungsschwerpunktes mit den entsprechenden Angaben und Materialien zum Forschungsdesign ist das Buch gut lesbar. KunsttherapeutInnenen können aus dieser Studie eine Fülle an Anregungen für ihre Praxis gewinnen. So praktiziert die Autorin beispielsweise eine enge Verknüpfung von Kunsttherapie und Entspannungsverfahren (z. R: Progressive Muskelrelaxation/PMR, Achtsamkeitsübungen, Funktionelle Entspannung), die - wie sie sehr gut darstellt - bei Angst und Autonomieverlust von den Patientinnen gerne angenommen werden. Zudem gibt sie Einblick in das Feld der "mobilen" Kunsttherapie am Krankenbett, die insbesondere ein hohes Maß an Flexibilität erfordert. Dass Kunsttherapie im und am Krankenbett möglich und nötig ist, wird hier nicht nur als ein "selbstverständliches" kunsttherapeutisches Setting vorgestellt, sondern es wird zugleich praxisnah auf die spezifische Materialwahl und Haltung eingegangen. Interessant ist es schließlich auch, der Autorin dabei zu folgen, wie sie den Wechsel zwischen kunstpädagogischer Theorie einerseits und einer personzentrierten Haltung im Gespräch bzw. in der Kunsttherapie vollzieht. Wer eine kürzere Zusammenfassung wünscht, dem sei der Artikel von Petra Saltuari und dem Psychiater Michael Grube (2015) empfohlen. Doch die gelungene Verknüpfung von wissenschaftlicher Methodik und Praxisanleitung bietet erst das Buch. Empfehlen kann ich es natürlich allen KunsttherapeutInnen, die in der Gynäkologie arbeiten. Darüber hinaus allen, die sich für qualitativ-empirische Forschungsverfahren interessieren (und deren Kombination mit quantitativen Verfahren) sowie ebenso allen, die mit "mobilen Ateliers" innerhalb einer Institution arbeiten und schließlich allen Berufsgruppen, die im Gesundheitsbereich tätig sind und mehr über kunsttherapeutische Vorgehensweisen und Einsatzmöglichkeiten erfahren möchten. Literatur Saltuari, P.I Grube, M(2015). Mit Malen und Gestalten die Angst bannen. Kunsttherapie zur Emotionsverarbeitung bei Risikoschwangeren. S. 301-314 in: Rohde, A. (Hrsg.). Frauen-Leid und Frauen-Stärkung. Im Fokus von gynäkologischer Psychosomatik und Gynäkopsychiatrie. Köln: Psychiatrieverlag. Kontakt: Friederike Strub f.strub@kunsttherapie.org |
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Bron: Kunst & Therapie. Zeitschrift für bildnerische Therapien. 2016/1, S. 105ff. | |
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