Bettina Kudlich Juraprofessoren an der Universität Erlangen in den Jahren 1933-1945 – Ausbildung und Forschung an der Juristischen Fakultät Erlangen im Dritten Reich – ISBN: 978-3-8440-3312-0 Prijs: 49,80 € / 62,25 SFR |
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Die Forschungen zur Universitätsgeschichte haben seit den 1970er-Jahren verstärkt die Rolle der Universitäten im Nationalsozialismus ins Blickfeld genommen, teils in Form von Überblickskapiteln im Rahmen umfassender Darstellungen der Universitätsgeschichte, teils aber auch durch Monographien und Sammelbände zum Schicksal einzelner Universitäten speziell in der NS-Zeit. Neben diesen der jeweiligen Gesamtuniversität gewidmeten Schriften entstanden besonders in den letzten fünfzehn Jahren auch Spezialuntersuchungen zur Geschichte einzelner Juristischer Fakultäten, die ebenfalls teils einen größeren Untersuchungszeitraum behandeln, teils auch speziell die NS-Zeit betrachten (monographisch etwa für Berlin, Bonn, Breslau, Greifswald, Halle, Heidelberg, Jena, Kiel, Münster, Straßburg und Würzburg). Die vorliegende Arbeit, eine an der Universität Regensburg bei Hans-Jürgen Becker entstandene Dissertation, reiht sich in den zuletzt genannten Forschungskontext ein, indem sie speziell die Entwicklung der Juristischen Fakultät der Universität Erlangen in der NS-Zeit in den Blick nimmt. Die bisherigen Forschungen zur Erlanger Universitätsgeschichte haben die NS-Zeit entweder in Form von Überblicksartikeln im Rahmen umfassender Darstellungen der Universitätsgeschichte oder unter speziellen Blickwinkeln (politische Betätigung der Studentenschaft, Bücherverbrennungen, Depromotionen) thematisiert. Die gut strukturierte Arbeit behandelt in einem ersten Teil die Ausbildung des akademischen Nachwuchses an der Erlanger Juristenfakultät in dieser Zeit. Ausgehend von den für das ganze Reich erlassenen Justizausbildungsordnungen von 1934 und 1939 und der von Kar! August Eckhardt initiierten juristischen Studienreform von 1935 untersucht die Verfasserin, inwieweit es hierdurch zu Änderungen im juristischen Lehrangebot in Erlangen kam. Tatsächlich wurden die bislang an dogmatischen Kategorien ausgerichteten Bezeichnungen der Lehrveranstaltungen durch die von der Eckhardtschen Studienreform vorgegebenen neuen Bezeichnungen wie „Ware und Geld“, „Boden“, „Vertrag und Unrecht“ usw ersetzt. Inwieweit damit auch inhaltliche Veränderungen in den Lehrveranstaltungen einhergingen, ist damit freilich noch nicht gesagt. Der Anteil der einzelnen Fächer am Gesamtlehrangebot änderte sich jedenfalls nur geringfügig. Die auffällig hohen Promotionszahlen an der Erlanger Juristenfakultät (jährlich über 300 zu Beginn der 1930er-Jahre) gingen in der zweiten Hälfte der 1930er-Jahre ganz erheblich zurück, was auf eine Verschärfung der Zulassungsvoraussetzungen zurückzuführen ist. Die Verfasserin sieht nur einen kleinen Anteil der in der NS-Zeit veröffentlichten Doktorarbeiten an der Erlanger Juristenfakultät als "ideologisch geprägt" an und listet 61 (von insgesamt ca 1.600) Arbeiten auf, bei denen dies der Fall sei. Kriterien, aus denen sich die ideologische Prägung ergibt, benennt sie jedoch nicht, so dass sich der Verdacht aufdrängt, dass sie ihre Beurteilung primär auf den Titel der jeweiligen Arbeit stützte, was angesichts der hohen Promotionszahlen zwar verständlich ist. aber kaum zuverlässige Urteile über den Inhalt der Arbeit zulässt. ... Bernd Mertens, Erlangen |
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Bron: Zeitschrift für Neuere Rechtsgeschichten Ausgabe 38. Jahrgang 2016 Nr. 3/4 | |
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Bettina Kudlich Juraprofessoren an der Universität Erlangen in den Jahren 1933-1945 – Ausbildung und Forschung an der Juristischen Fakultät Erlangen im Dritten Reich – ISBN: 978-3-8440-3312-0 Prijs: 49,80 € / 62,25 SFR |
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Gegenstand der vorliegenden Dissertation ist die Biografie der in der nationalsozialistischen Zeit an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Erlangen tätigen Professoren unter besonderer Berücksichtigung der Jahre 1933-1945. Nach einem Überblick über die bisherigen Arbeiten über die Universitäten und ihre juristischen Fakultäten in der NS-Zeit (S. 4ff.) behandelt Kudlich zunächst die Einführung neuer Hochschulstrukturen ab 1933 und die Justizausbildungsordnungen von 1934 und 1939 (S. 9ff., 12ff.). In diesem Zusammenhang bringt Kudlich tabellarische Übersichten über die zu berücksichtigenden Fächer und die Vorlesungen von 1932/1933 bis 1934/1935 sowie vom Sommersemester 1935 bis zum Wintersemester 1944/1945 (S. 18ff.). Als Ergebnis stellt Kudlich heraus, dass sich das Verhältnis der unterrichteten Fächer vor und nach der Studienreform kaum geändert hat. Insbesondere war der Anteil der rechtsgeschichtlichen Vorlesungen mit 15 bzw. 16 Prozent relativ hoch; auch das römische Recht behielt im Wesentlichen seine bisherige Stellung (S. 43). Zwischen 1933 und 1945 verlieh die Erlanger Juristenfakultät 1600 Promotionstitel (davon zwischen 1933 und 1939 insgesamt 1485 Promotionen; S. 49). Die hohe Anzahl der Promotionen, mit der die Erlanger Fakultät wohl an der Spitze aller deutschen Juristenfakultäten lag, ging erst 1938 zurück, nachdem der Rektor vom bayerischen Kultusministerium aufgefordert worden war, die „Anforderungen für die Erlangung des juristischen Doktortitels auf das an den übrigen juristischen Fakultäten übliche Maß“ anzupassen (S. 50). S. 51ff. stellt Kudlich die „ideologisch geprägten Promotionen“ zwischen 1933 und 1945 zusammen (S. 51ff.). Eine Habilitation fand während der NS-Zeit an der Juristenfakultät Erlangen nicht statt (S. 55). Im Abschnitt über die personellen Änderungen innerhalb der Hochschullehrerschaft an der Universität Erlangen seit 1933 stellt Kudlich fest, dass die Juristenfakultät über zehn Lehrstuhlinhaber und einen Honorarprofessor verfügte, von denen sieben bereits vor 1933 in Erlangen lehrten. Nach 1933 kamen an die Universität Erlangen Erich Berneker, Thomas Würtenberger, Erwin Seidl und Theodor Süß (S. 61f.).
Die Darstellung über die Juraprofessoren erfolgt weitgehend unter folgenden Gesichtspunkten: Biografischer Überblick, Spruchkammerverfahren, politische Aktivitäten bis 1945, Mitgliedschaft in nationalsozialistischen Organisationen und Publikationen bis 1945, beginnend mit Friedrich Lent (bürgerliches Recht, Zivilprozessrecht). Lent war zwar, wie sich aus seinen Schriften von vor 1933 ergibt, ein scharfer Gegner der Weimarer Republik, äußerte sich jedoch ab 1934 nicht mehr zu hochschul(politischen) Fragen. Aufgrund seiner regierungskritischen Anschauungen war Lent ab 1934 „Verfolgungen und Benachteiligungen“ ausgesetzt (S. 79). Lents zivilprozessualische Schriften hätten keinen „Bezug auf die politischen Gegebenheiten der damaligen Zeit“ (S. 79). Hingewiesen sei darauf, dass Lent eines der führenden Mitglieder des Ausschusses für Bürgerliche Rechtspflege der Akademie für Deutsches Recht war, in dem er teilweise den Vorsitz führte. Seine zahlreichen Ausführungen in diesem Ausschuss und im Ausschuss für „Wahrheitsforschung im Streitverfahren“ zeigen, dass Lent insbesondere einer Aufgabe bzw. starken Aufweichung der Verhandlungsmaxime entgegentrat. – Eugen Locher (bürgerliches Recht, Arbeitsrecht und Handelsrecht) war von 1926 bis 1942 und von 1945/1946 an der Universität Erlangen tätig sowie 1932/1933 Rektor dieser Universität (S. 83ff.). Die Haltung Lochers zum Nationalsozialismus ließ sich nicht abschließend klären; immerhin dürfte er den nationalsozialistischen Staat befürwortet haben. Locher war Mitglied des Bodenrechtsausschusses der Akademie für Deutsches Recht, in dessen Auftrag er die Ergebnisse der Beratungen für das Grundstücksrecht unter dem Titel: „Die Neugestaltung des Liegenschaftsrechtes“ 1942 zusammenfasste. – Theodor Süß (Zivilrecht, Zivilprozess- und Versicherungsrecht) war mit Unterbrechungen in Erlangen zwischen 1943 und 1949 tätig. Er dürfte zwar ein „überzeugter Demokrat“ gewesen sein; jedoch lässt sein Verhalten in der NS-Zeit ein „ambivalentes Bild“ erkennen (S. 104). – Erich Berneker, der in Erlangen von 1936-1941 tätig war und das römische Recht vertrat, war wohl ein Gegner des Nationalsozialismus; gleichwohl lässt sich kein „eindeutiges Fazit hinsichtlich der politischen Haltung“ Bernekers in der NS-Zeit ziehen (S. 118). – Der Philologe und Romanist Bernhard Kübler, dessen Frau eine jüdische Mutter hatte, war von 1912 bis zu seiner Emeritierung 1934 und auch noch anschließend bis zu seinem Tod 1940 in Erlangen tätig. Kübler vertrat „wiederholt seine deutschnationale Gesinnung“, ohne dass er sich zum Nationalsozialismus bekannte. Den Lehrstuhl für römisches Recht und antike Rechtsgeschichte erhielt 1942 Erwin Seidl, der bereits 1934/1935 in Erlangen vertreten hatte (S. 127ff.). Seidl lehnte den Nationalsozialismus ab und verhielt sich in der Zeit zwischen 1933 und 1945 „betont unpolitisch“ (S. 133). Dagegen vertraten die beiden Öffentlichrechtler Eberhard Freiherr Scheuerl von Defersdorf und Max Wenzel in ihren Werken aus der NS-Zeit nationalsozialistische Positionen. Der Kirchenrechtler Hans Liermann lehnte die Weimarer Republik ab und akzeptierte 1933/1934 die nationalsozialistische Diktatur (S. 178). In den späteren Schriften finden sich Treuebekundungen zum Nationalsozialismus (S. 174ff.), auch wenn Liermann wohl den Nationalsozialismus innerlich ablehnte. – Der Strafrechtler August Köhler (1873-1939) war seit 1935 in Erlangen tätig und von 1933-1939 Dekan der dortigen Juristenfakultät. 1934 akzeptierte er die Zulassung des SA-Führers Edmund Heines zum Jurastudium und setzte sich in drei Fällen für die Entziehung des Doktortitels ein (S. 185ff.). – Der Strafrechtler Thomas Würtenberger (von 1966-1982 Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg) stand zwar nach seinen Schriften aus der NS-Zeit dem „nationalsozialistischen Gedankengut“ nahe (S. 200), war aber insgesamt wohl ein Gegner des Nationalsozialismus, wie später seine Lehrer Eric Wolf, Gustav Radbruch und Lent bekundeten (S. 194 ff.). Das Werk wird abgeschlossen mit einer knappen Schlussbetrachtung, wonach die Mehrzahl der Juraprofessoren zwar den Weimarer Staat ablehnte und sich in der NS-Zeit nach außen hin den damaligen Verhältnissen anpasste, ohne jedoch „in besonderem Maße“ sich für die Ziele des Nationalsozialismus einzusetzen (S. 203). Nützlich ist das Personenregister S. 239ff. Hervorzuheben ist, dass Kudlich eine Vielzahl von Archivalien ausgewertet und Gespräche mit Familienangehörigen der Erlanger Juraprofessoren und ehemaligen Studenten der Erlanger Juristenfakultät geführt hat (vgl. S. 213). Interessant wäre es gewesen, wenn Kudlich noch auf die Zeit unmittelbar nach 1945 eingegangen wäre. Das Literaturverzeichnis bringt eine, wenn auch nicht vollständige Bibliografie der behandelten Erlanger Professoren. Insgesamt hätte Kudlich mitunter noch etwas eingehender auf deren wissenschaftliches Werk eingehen sollen. Hinweise darauf, wer die S. 34 ff. zusammengestellten Vorlesungen und Seminare im Einelnen durchgeführt hat, wären von Interesse gewesen. Die Untersuchungen Kudlichs verdeutlichen die Schwierigkeiten, inwieweit man bei Treuekundgebungen von „Scheinbekenntnissen“ sprechen kann. Jedenfalls dürften auch diese das nationalsozialistische Regime gefestigt haben. Mit dem Werk Kudlichs liegt ein gründlicher, wohlabgewogener Beitrag zur Geschichte der rechtswissenschaftlichen Fakultät Erlangen in der nationalsozialistischen Zeit vor, der den Wunsch aufkommen lässt nach einer umfassenderen Arbeit über Friedrich Lent, Hans Liermann und Erwin Seidl, der im Übrigen von 1958 bis 1971 das von ihm begründete Kölner Institut für römisches Recht leitete. |
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Bron: www.koeblergerhard.de | |
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