Karl Besemer Wenn der Teufel los ist Warum greift Gott nicht ein? ISBN: 978-3-8440-0994-1 Prijs: 12,80 € / 16,00 SFR |
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Nach dem Jahr 1775 war die Welt eine andere geworden. Jedenfalls für die Intellektuellen in Europa. Denn 1775 wurde die viertgrößte Stadt Europas, Lissabon, durch ein Erdbeben - und wie wir heute wissen, auch durch einen sich anschließenden Tsunami - zerstört. Mehr als 100 000 Menschen fanden den Tod. Drei Monate brauchte die Nachricht des Schreckens damals, bis sie in Deutschland bekannt wurde. Die Kirchengemeinden waren ausgelöscht, denn das Beben geschah genau während der Zeit der Sonntagsmesse, die Gläubigen wurden erschlagen. Unversehrt blieb allein das Rotlichtviertel von Lissabon. Die Gläubigen und Frommen waren tot, die Sünderinnen und Sünder überlebten. "Wie kann Gott das zulassen!" Dieser Schrei ging durch Europa. Er war die Geburtsstunde der Aufklärung. Gott, das Böse und die Welt. Das ist ein aktuelles Thema - geblieben. Karl Besemer, der 14 Jahre lang Schuldekan in den Kirchenbezirken Ludwigsburg und Ditzingen war, hat das Thema in seinem neuesten Buch "Wenn der Teufellos ist - Warum greift Gott nicht ein?" aufgegriffen und buchstäblich durchdekliniert. Herausgekommen ist dabei ein "echter" Besemer. Hier schreibt ein Pädagoge durch und durch, der als Theologe seine Bibel kennt, und dem deshalb Sprache und Anwendung zugleich wichtig sind. So greift er das Thema des Bösen auf, zitiert Isaac Singer und Wolfgang Borchert, lässt den Schock von Lissabon nachwirken in den Worten von Leibniz, Kant und Schopenhauer, und stellt die vermeintlich so modernen Fragen auf ein biblisches Fundament: Er erläutert priesterlichen und jahwistischen Schöpfungsbericht, sucht mit dem Leser nach dem verlorenen Paradies, analysiert den Brudermord, die Sintflut, die babylonische Himmelsstürmerei, um schließlich über Hiob die durchkreuzte Theodizee auf Golgatha zu bekennen. Es mag in der Natur der Sache liegen, dass auch Besemer keine abschließende Erklärung für das Böse in der Welt hat. Denn das Böse ist da, man muss mit ihm umgehen. Aber die philosophischen und theologischen Antworten, erleichtern diesen Umgang, weil Besemer in heutiger Sprache schreibt, in heutigen Denkmustern, Fragen und Antworten aufwirft und wiedergibt. Natürlich kann man den schmalen Band als einen Steinbruch für ausgesuchte Zitate zum Thema "das Böse" missbrauchen. Kompakter bekommt man es selten geliefert. Vielmehr sollte man sich jedoch auf die biblischen Geschichten einlassen, um ihre Aktualität für uns heute zu erkennen. Da ist Besemer ein guter Übersetzer. Jürgen Kaiser |
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Bron: Zeitschrift für die Evangelische Landeskirche in Württemberg: Heft 23 / 2012 - 66 Jahrgang | |
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